Verhalten und Auslaufnutzung verschiedener Hühnerrassen

Erkenntnisse aus dem Öko2Huhn Projekt, die auch für private Hühner im Garten relevant sind

Eingeladen zum Interview habe ich Annemarie Kaiser, die Projektmanagerin bei der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde ist.

Hallo Annemarie, Du arbeitest im Projekt Öko2Huhn, in dem Ihr unter anderem Leistungsprüfungen mit Rassehühnern auf landwirtschaftlichen Betrieben durchführt. Wie kam es dazu, dass Ihr auch verschiedene Hühnerrassen mit ins Projekt aufgenommen habt? Die gelten ja häufig als unwirtschaftlich.

Annemarie: Es war von vorneherein so geplant, dass wir Rassegeflügel aufnehmen. Im Vorgängerprojekt „ÖkoHuhn“, haben wir bereits ein paar Hühnerrassen untersucht und wollten jetzt nochmal die Bandbreite in der Praxis darstellen. Uns ist im ÖkoHuhn-Projekt aufgefallen, als wir die Betriebe gesucht haben, dass es einige Betriebe gibt, die gerne teilgenommen hätten, aber nicht konnten. Das Vorgängerprojekt war vom Aufbau sehr „starr“ und die Betriebe wollten so wie es geplant war nicht mitmachen. Diese Betriebe wollten ihre eigenen Rassen halten und nicht die von uns vorgegebenen Rassen. Das lag vor allem daran, dass sie gute Erfahrung mit ihren Hühnerrassen gemacht haben und auch betriebsindividuelle Konzepte für die Haltung, die Vermarktung und für die Fütterung der jeweiligen Rassen gefunden hatten. Daher wollten wir dann in diesem Nachfolgeprojekt schauen, was es eigentlich für Betriebe gibt und wie es mit den Hühnerrassen funktioniert.

Kannst du noch rückblickend auf ÖkoHuhn sagen, welche Rassen die Betriebe schon von Anfang an gehalten haben?

Annemarie: Ja, es gab viele Betriebe, die die Rassen eher in kleineren Erhaltungs-Gruppen oder in kleineren gemischten Gruppen gehalten haben, um beispielsweise bunte Eier zu bekommen. Die hatten Araucana und Marans in den Betrieben, weil sie eine größere Diversität in ihren Produkten erreichen wollen. Regionale Hühnerrassen waren auch schon vorhanden, welche die Betriebe schon aus ihrer Kindheit kannten und einfach aus traditioneller Sicht gehalten wurden. Die Ramelsloher und die Ostfriesischen Möwen zum Beispiel haben die Leute sehr interessiert. Da gibt es landwirtschaftliche Betriebe, bei denen die Betriebsleiter aus ihrer Jugend und Kindheit einen kleinen „Spleen“ für bestimmte Hühnerrassen haben, die man gar nicht unbedingt als wirtschaftliches Geflügel ansieht. Aber sie lieben die Tiere, lieben das Wesen dieser Hühnerrassen und halten sie deswegen mit ihren anderen Hühnern zusammen.

Rassegeflügel in der Landwirtschaft

Erfahrungen mit Rassehühnern aus dem Projekt Öko2Huhn

Wie weit seid ihr mittlerweile im Projekt Öko2Huhn mit der Datenerfassung? Ist diese schon abgeschlossen oder seid ihr noch in der Datenerfassung?

Annemarie: Wir sind bei den meisten Gruppen mit der Datenerfassung der Hähne fertig. Leider hatten wir einzelne Gruppen, bei denen wir die Hähne aufgenommen haben und dann gab es Probleme, dass die Henne in unserer gewünschten Tierzahl nicht mehr gereicht haben. Wir wollen mindestens 50 Hennen je Gruppe damit wir eine allgemeine Aussage aus der Gruppe ziehen können. Wenn dann aber durch Raubwild oder durch Krankheiten nur noch 20 Hennen übrig waren, da mussten wir dann nochmal einen zusätzlichen Hennendurchlauf jetzt im neuen Jahr starten und da sind wir bei einzelnen Hühnerrassen grade noch dabei.

Welche Hühnerrasse haben Dich persönlich am meisten positiv überrascht?

Annemarie: Also eine Hühnerrasse, die ich mir gewünscht hätte, dass wir sie im Öko2Huhn weiter aufnehmen, was aber nicht geklappt hat, waren die Marans. Das hätte ich mir wirklich gewünscht, weil ich da ein großes Potential in den Tieren sehe. Es hatte mich im Vorgängerprojekt ÖkoHuhn positiv überrascht, dass sie eine sehr gute Fleischqualität haben. Unser Schlachtmeister im Projekt, war immer begeistert, wenn ein Marans-Hähnchen bei ihm auf dem Tisch war. Er hat immer geschwärmt: „Die Tiere sind so schön und die Fettverteilung und die Fleischfarbe sind einfach toll.“

Marans-Hähne konnten mit der Fleischqualität in ÖkoHuhn überzeugen!

Dann war ich im Vorgängerprojekt sehr positiv überrascht von den Ostfriesischen Möwen. Bei denen haben wir leider keine Legeleistungsprüfung gemacht. Die Mastprüfung war, was die Zunahmen anging, wie zu erwarten ganz miserable. Aber sie hatten eine hervorragende Auslaufnutzung und ein sehr gutes Futtersuchverhalten, sodass sie in der Futterverwertung am Ende deutlich besser abgeschnitten haben als zum Beispiel die Bresse Hühner (Anmerkung: Auch Bresse Gauloise oder Les Bleues genannt). Natürlich hatten die Bresse bessere tägliche Zunahmen, waren aber zu träge sich ihr Futter in einem diversen Auslauf selbst zu suchen.

„Ein gutes Futtersuchverhalten im Auslauf reduziert die Futterkosten.“

Ich finde es ein ganz schönes Potential von Rassen wie der Ostfriesischen Möwe – die nicht so schwer sind und sich deshalb auch nicht wirklich als Zweinutzungsrasse bezeichnen lassen – dass sie in gewisser Hinsicht und in bestimmten Strukturen fast autark sein können.

Du hast eben schon gesagt, dass sich die Ostfriesischen Möwen im Auslauf ganz toll verhalten. Das ist schon mal ein hervorragendes Positiv-Beispiel. Gibt es auch eine Hühnerrasse, die dich negativ in Bezug auf ihr Verhalten überrascht hat?

Annemarie: Also wir hatten jetzt in Öko2Huhn zwei Gruppen vom Triesdorfer Landhuhn, die leider sehr aggressiv waren. Ich fand, sie hatten ein sehr aktives Wesen und diesem aktiven Wesen muss man dann auch durch die Haltung begegnen. Wenn das nicht passiert, dann kommt es zu Verhaltensstörungen. Ich würde sagen, dass die Ursache ein fehlgeleitetes Erkundungsverhalten war. Das heißt man kann jetzt nicht sagen, dass diese Rasse negativ ist. Sondern, man kann sagen, dass wenn die Haltung den Ansprüchen, die eine Rasse stellt, nicht genügt, es bei diesen aktiven Hühnerrassen zu negativen Ausprägungen kommt. Und da sind einige Rassen bestimmt anspruchsvoller im Verhalten als andere, die genügsamer sind. Schwere Rassen sind eher träge und häufig sind es schon die leichten Hühnerrassen, die ein agiles Wesen haben, und verstärkt beschäftigt werden wollen. Das Triesdorfer Landhuhn ist eigentlich eine relativ schwere Herkunft, aber da haben wir auch gesehen, dass man für die Haltung verstärkt Beschäftigungsangebote braucht.

Verhalten von Hühnerrassen

Herausforderungen in der Haltung von Rassegeflügel

Welche Herausforderungen siehst du bei der wirtschaftlichen Haltung von Rassegeflügel aktuell?

Annemarie: Ganz klar sind das die Leistungen und die stark schwankenden Qualitäten der Hühner, die die Betriebe bekommen. Sie können einfach nicht mit gleichbleibender Qualität rechnen, weil es einfach mal gute und mal schlechte Hennen gibt. Um wirtschaftlich diese Rassehühner halten zu können, müssen die Betriebe aber auch an ihrem Management arbeiten. Sie müssen den Betriebszweig der Hühnerhaltung ein Stück weit ernster nehmen und nicht so nebenherlaufen lassen. Da liegt das Problem aber oft an den Betriebsstrukturen. Sehr diverse Betriebe mit einer Direktvermarktung haben häufig vielfältige und unterschiedliche Produktkategorien, die sie in der Produktion und in der Vermarktung haben. Die Hühner haben da häufig nicht die höchste Priorität. Doch sie sollten eine professionellere Rolle spielen, um eine bessere Leistung erzielen zu können, um dann auch wirtschaftlich zu sein.

Wirtschaftlichkeit von Rassegeflügel

Tipps für die Hühnerhaltung im Garten

Grade in der Haltung von Hühnern im Garten haben wir oft nicht die größten Ausläufe. Wenn ich an die Haltung in der Stadt denke, gibt es eher kleine Gärten. Gibt es Hühnerrassen, die Du empfehlen kannst, die leicht zu halten und genügsam sind?

Annemarie: Ein Problem ist da ganz sicher die Einzäunung. Wenn wir jetzt kleinere Bereiche haben, in denen die Hühner bleiben sollen, dann sind die Zwerghuhn-Rassen dafür bestimmt ganz toll geeignet, weil man ihnen nicht die Flügel stutzen muss und sie in ihren Gehegen bleiben. Dann haben wir auch Menschen, die mit den Seidenhühnern in kleinen Bereichen sehr glücklich sind, und auf der anderen Seite dann eben schwere Rassen. Die sind genügsamer in ihrem Verhalten. Im Projekt hatten wir eigentlich keine Betriebe, die ihre Rassen in ganz kleinen Ausläufen gehalten haben. Die waren schon groß und divers – also nicht unbedingt vergleichbar. Es gab nur einen Betrieb, wo ich sagen kann, dass die Barnevelder und die Rheinländer absolut nicht geeignet waren, um in kleineren Bereichen gehalten zu werden.

Wie findest du persönlich die Ramelsloher? Die gelten als eine sehr zutrauliche Hühnerrasse. Bist Du der Meinung, dass die eine Rasse wären, die sich für die Haltung im Garten eignen würde?

Annemarie: Ja für geeignet halte ich sie. Da bin ich bei dir! Von den Ramelslohern habe ich eine kleine Anekdote zu erzählen. Ich fand es ganz beeindruckend, dass sie alles zusammen gemacht haben.

„Es ist total beeindruckend, dass die Ramelsloher in unserem Projekt als Gruppe einfach alles zusammen gemacht haben“

Die sind immer in einer Gruppe alle Draußen, alle Fressen und alle Staubbaden gewesen. Das war ganz auffällig an dieser Rasse und sie waren dabei aber auch sehr friedlich miteinander. Es hat auf jeden Fall Spaß gemacht zuzuschauen.

Toll! Wenn wir jetzt einen kleinen Blick in die Zukunft wagen wollen: Welchen Nutzen bzw. positiven Effekt hat die jeweilige Rasse deiner Meinung nach durch die Haltung in der Landwirtschaft?

Annemarie: Es kann in bestimmten Organisationsformen durchaus einen guten Effekt haben. Ich habe zum Beispiel von Züchtern gehört, dass sie es gut finden, wenn sie sehr viele Küken ausbrüten können, um eine Vielfalt zu bekommen aus der sie sich ihre Zuchttiere raussuchen und den Rest an die Landwirtschaft zur Produktion abgeben können. Wenn mehr Landwirte und Züchter in solchen Strukturen arbeiten würden, würde ich durchaus ein Potential sehen den Erhalt der Hühnerrassen mit der Landwirtschaft zusammen zu fördern.

Liebe Annemarie, ich danke Dir für das Interview und wünsche Dir noch viel Erfolg mit dem Öko2Huhn Projekt.

Über Annemarie Kaiser

An der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde arbeitet Annemarie Kaiser am Fachgebiet „Ökologische Tierhaltung“ im Projekt „Konzeption einer ökologischen Hühnerzucht - mit besonderer Beachtung einer möglichen Zweinutzung“ – kurz Öko2Huhn. In diesem vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft im Rahmen des Bundesprogramms ökologischer Landbau geförderten Projektes arbeitet sie mit Zweinutzungshühnern der „Ökologischen Tierzucht gGmbH“ und auch mit Rassehühnern. Es werden Daten in der Aufzucht und der Legeperiode erfasst. Doch neben den klassischen Leistungsdaten, interessiert sie vor allem das Tierverhalten der unterschiedlichen Hühnerrassen bei den landwirtschaftlichen Betrieben, die sie regelmäßig besucht.

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