Ist Hühnerkot im Auslauf ein Problem? Moderne Lösungsansätze für alte Probleme.

Frauke Deerberg ist Doktorandin an der Uni Kassel am Fachgebiet für Ökologischen Land- und Pflanzenbau und stand mir für ein Interview über den Nährstoffeintrag im stallnahen Bereich zur Verfügung. Warum auch wir private Hühnerhalter*innen für Klimaeinträge verantwortlich sein können und was Du dagegen tun kannst, erfährst Du im Blogartikel.

Olivia: Frauke, Du beschäftigst dich in deiner Doktorarbeit mit den Nährstoffeinträgen im stallnahen Bereich. Wie ist es dazu überhaupt gekommen?

Frauke: Ich bin da 2017 so reingerutscht. Mein Vater ist unter anderem Fachberater für Geflügelhaltung und hat zusammen mit Prof. i.R. Dr. Jürgen Heß von der Uni Kassel ein Projekt gemacht, wo es dabei darum ging die Nährstoffeinträge in der Mobilstallhaltung zu erfassen. Es gab einen Mobilstall der mobil versetzt wurde und einem Mobilstall der stationär an einer Stelle blieb. Dort war ich dann oft mit bei den Versuchsflächen, bei Presse Präsentation und bei den Besprechungen. Herr Heß hat mich dann einfach abgeworben und so bin ich in das nächste Projekt gekommen.

Olivia: Toll! Wie ist Deine Expertenmeinung – Ist der stallnahe Bereich nur ein Problem in der Landwirtschaft oder ist das Thema auch in der privaten Hühnerhaltung relevant?

Frauke: Die Sache ist folgende: Faktoren, die diese Nährstoffeinträge beeinflussen sind die Anzahl der Tiere kombiniert mit der Fläche, die den Tieren zur Verfügung steht. Jetzt ist es in der privaten Hühnerhaltung oft so, dass man kleinere Bestände hat. 3.000, 6.000, 12.000 oder mehr Tiere kommen da nicht vor. Aber es ist natürlich trotzdem so, dass auch mit 10, 12 oder 20 Tiere genügend Grünauslauf benötigt wird, um so eine Nährstoffakkumulation zu vermeiden. Eigentlich kann man sagen, dass es unabhängig von der Bestandsgröße ist. Wichtig ist, dass Flächen bspw. rotiert werden können oder, dass eine Überbelastung vermieden wird.

Lösungsansätze für Nährstoffeinträge aus der (privaten) Hühnerhaltung

Olivia: Was würdest Du denn Halter*innen von Hühnern empfehlen, wie sie ihren Boden am besten schützen können? Gibt es da ein Substrat mit dem gearbeitet werden kann oder empfiehlst Du eine Wechselweide?

Frauke: Genau diese Frage treibt uns natürlich auch um. Wir wollen die Freilandhaltung den Tieren natürlich erhalten. Unser Ziel ist es die Schwachstellen, an denen sich Stickstoff sammelt und somit das Risiko von Nitratauswaschung steigt, zu entschärfen. Nitrat kann durch die Auswaschung nämlich ins Grundwasser gelangen. Neben der Möglichkeit den Hühnern in regelmäßigen Abständen neue Flächen zu geben, besteht auch die Option Flächen wieder zu begrünen oder mit organischen Substraten auf dem Boden zu arbeiten, die regelmäßig ausgetauscht werden.

Wiederbegrünung als mögliche Lösung 

Frauke: Bei der Begrünung muss darauf geachtet werden, dass Stickstoff aus dem Auslauf entfernt wird. Das heißt, dass die Pflanzen durch ihr Wachstum Stickstoff entziehen und durch die Ernte der Pflanzen oder dem Rückschnitt der Bäume der Stickstoff die Fläche verlässt. Pflanzen, die stark Stickstoff zehrend sind, sind hier eine gute Option sofern sie sich etablieren lassen. In den wirklich stark belasteten Bereichen (wie z.B. dem Nahbereich), reicht eine Begrünung aber oftmals nicht aus, weil viel mehr Stickstoff vorhanden ist, als die Pflanzen aufnehmen können

Substrat als mögliche Lösung

Frauke: Auch ein Transfer-Substrat ist eine gute Option. Hier haben wir z.B. Holzhackschnitzel und Strohpellets getestet. Diese Materialien müssen dann regelmäßig wieder entfernt werden und können dann auf dem Acker bzw. im Garten als Dünger verwendet werden. Die Nährstoffe gelangen dann mit dem Transfer-Substrat aus dem Hühnerauslauf heraus. Bei der Wahl des Substrates ist die Idee, ein Material zu haben, dass die Tiere bearbeiten können. Dann können sie auch scharren und staubbaden.  Dies ist z.B. bei Schotter oder Kies nicht der Fall. Außerdem muss das Substrat auch in der Lage sein überhaupt Nährstoffe binden und aufzunehmen zu können. Auch die anschließende Weiterverwertung ist sehr wichtig bei der Substratwahl.

Substrate für den Hühnerauslauf, die Nährstoffeinträge aus dem Hühnerkot reduzieren können.

Foto: Frauke Deerberg

Die große Gefahr, wenn man nichts macht und auch keine Begrünung hat, ist, dass die Nährstoffe im Boden bleiben, weil die Vegetation die Menge an Nährstoffen nicht aufnehmen kann. So gelangen die Nährstoffe in tiefere Bodenschichten wo sie schließlich ausgewaschen werden können und dann im Grundwasser landen. Gasförmige Stickstoffverluste, beispielsweise durch Ammoniak, können sich ebenfalls negativ auf unsere Umwelt auswirken.

Olivia: Kannst Du einmal Ausgasung für alle bitte erklären?

Frauke: Klar! Also es gibt verschiedene Stickstoffverluste: Einmal eben eine Auswaschung in tiefere Bodenschichten oder über das Oberflächenwasser in unsere Gewässer. Bei der Ausgasung entsteht ein Gasförmiger Stickstoff-Verlust z.B. durch die Bildung Lachgas oder Ammoniak. Das ist dann auch klimarelevant.

Von Hühnern verursachte Klimaschäden reduzieren

Olivia: Das heißt auch mit der privaten Hühnerhaltung sind wir für Klimaschäden mitverantwortlich? Und es liegt auch in unserer Verantwortung als private Hühnerhalter*innen etwas dafür zu tun, dass unsere Hühnerhaltung das Klima nicht gefährdet?

Frauke: Genau auch in der privaten Hühnerhaltung könnt ihr einen Beitrag leisten um das Klima zu schützen. Aber auch Nitrat im Grundwasser ist ein zunehmendes Problem. Hier haben wir gleich zwei Baustellen. Und auch die Kosten, um Nitrat aus dem Grundwasser zu kriegen, sind recht hoch. Da Wasser eine immer knappere Ressource wird sollte auf jeden Fall hier auf jeden Fall Vorsorge geleistet werden.

Olivia: Also glaubst Du, dass der stallnahe Bereich in Zukunft noch stärker in den Fokus der Medien und auch der Behörden rückt?

Frauke: Ich fürchte ja. Es ist immer so ein zweischneidiges Schwert: Natürlich ist es wichtig, dass Maßnahmen erfolgen, aber es ist ebenso wichtig, dass man eine Idee hat, wie man handelt und nicht einfach nur Verbote erlässt. Wir werden oft gefragt ob einfach die ersten 20 Meter vor dem Stall betoniert werden sollen, um die Einträge zu verhindern. Aber das ist auch nicht die Lösung. Zum einen wollen wir Flächenversiegelung vermeiden und zum anderen beobachten wir häufig, dass die Tiere einfach über den Beton hinweg laufen und dann Kot hinter der Betonplatte absetzen. Damit verlagert sich das Problem aus dem Nahbereich einfach nur in den angrenzenden Bereich ohne Beton. Und auch der Kot, der auf dem betonierten Bereich abgesetzt wird, muss entfernt werden. Deshalb sagen wir im Projekt, dass die Arbeit mit einem Substrat, welches auch als Dünger verwendet werden kann, sinnvoller ist. Uns ist es wichtig auf das bestehende Problem aufmerksam zu machen und gleichzeitig nach funktionierenden Lösungen zu suchen. Also nicht nur mit dem Finger drauf zu zeigen, sondern sagen: „Hey, wenn wir so weitermachen hat das Konsequenzen für unsere Umwelt, aber wenn wir etwas ändern und z.B. Transfer-Substrate verwenden oder die Tiere umsetzen, bevor die Grasnarbe kaputt geht, dann können wir dem Problem entgegenwirken.

Herausforderungen bei der Umsetzung in der Landwirtschaft 

Olivia: Wo siehst du denn aktuell die größten Herausforderungen in der Umsetzung der Lösungsvorschläge?

Frauke: Vielleicht nochmal ganz kurz ein kleiner Exkurs. Es wundert mich, dass dieses Problem eigentlich jetzt erst an Fahrt aufnimmt. Das Problem ist nämlich bereits seit den 1990-igern bekannt. Die meisten Publikationen darüber sind in Geflügelzeitschriften, wie z.B. der DGS oder in öffentlich zugänglichen Abschlussberichten gewesen. Bereits damals wurden schon sehr hohe Stickstoffgehalt im Boden rund um Hühnerställe gemessen. Ich frage mich so ein bisschen wieso da 30 Jahre nichts passiert ist.

In den letzten 6-10 Jahren versuchen wir Lösungsansätze für ein Problem zu entwickeln, das seit über 30 Jahre bekannt ist.

Ich habe auch den Eindruck, dass wir mit unserer Forschungsarbeit total unter Zeitdruck stehen. Wir müssen etwas für unsere Landwirt*innen liefern. Doch leider ist der Forschungsprozess langwierig und es ist auch schwer zu sagen, ob unser Lösungsansatz für alle Betriebe funktionieren wird. Deshalb wünsche ich mir, dass wir da weiterhin in Zusammenarbeit mit der Landwirtschaft nach guten Ansätzen suchen können. Denn jeder Betrieb ist anders und auch jeder Hühner-Herde ist anders. Vor allem bei den Herkünften gibt es starke Unterschiede, wie sie den Auslauf nutzen.

Die größte Herausforderung ist es eine Lösung zu finden, welche den Ansprüchen der Hühner, den Umweltaspekten und den Landwirten gerecht wird.

Am Ende muss es sich für die Landwirt*innen auch rechnen. Der stallnahe Bereich ist ja nicht das einzige Problem. Die Landwirt*innen leiden auch unter der Aufstallungspflicht bei Aviärer Influenza und es gibt noch so viele weitere Baustellen im Stall. Viele bemühen sich auch schon den Auslauf attraktiv zu gestalten und die Hühner in die Fläche zu locken aber trotzdem besteht die Problematik mit den Nährstoffeinträgen im stallnahen Bereich immer noch. Ich glaube es ist für die Landwirte einfach nicht schön immer wieder vor Herausforderungen gestellt zu werden. Deshalb ist es so wichtig, dass wir eine gute Lösungsoption haben und sich diese auch rechnet.

Olivia: Wäre dann eine Lösung vielleicht zukünftig mit Tieren zu arbeiten die wirklich den Auslauf einfordern und rausgehen?

Frauke: Es wäre schön, wenn ich in meinen Vorträgen sagen könnte: „Hör zu, wenn Du den Auslauf schön gestaltest und eine Rasse nimmst, die weit rausläuft, dann hast Du das Problem nicht mehr!“ Aber so ist es leider nicht. Wir stellten fest, dass selbst bei richtig guter Auslaufakzeptanz und richtig guter Verteilung im Auslauf das Problem im stallnahen Bereich bestehen bleibt.

Olivia: Sehr interessant! Ich weiß, Deine Arbeit ist noch nicht abgeschlossen, aber welche Fragestellungen befürchtest Du bleiben noch offen? Wo siehst Du in der Zukunft noch Forschungsbedarf?

Frauke: Oh, da gibt es jede Menge. Also ich sehe zum Beispiel Forschungsbedarf für stationäre Ställe. Vor allem glaube ich, dass mobile Ställe bei einem guten Versetzungs-Zeitintervall und eigener Bodenplatte schon mal ganz gute Startvoraussetzungen haben. Ich glaube auch, dass die größten Probleme für feste Ställe bestehen, weil diese in der Regel nicht die Möglichkeit haben Wechselweiden anzubieten.

Olivia: Vielen Dank für Deine Zeit und ganz viel Erfolg für Deine Doktorarbeit. Ich bin mir sicher, dass Deine Forschungsergebnisse noch sehr relevant für die Zukunft werden.

Über Frauke Deerberg

Foto Frauke Deerberg Uni Kassel

Foto: Frauke Deerberg

Am Fachgebiet für Ökologischen Land- und Pflanzenbau der Uni Kassel arbeitet Frauke Deerberg bereits seit 2017. Mittlerweile forscht sie im Projekt KLUFT – Kreislaufschließung in der Freilandhaltung von Legehennen: Substrate & Zuschlagstoffe für den Nahbereich.  Das Projekt wird vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft im Rahmen des Bundesprogramms ökologischer Landbau gefördert.

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